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140 Jahre Gesangverein

Der nachfolgende Beitrag, der am 14.10.2016 im Gießener Anzeiger erschien, wurde von Willi Launspach geschrieben und uns freundlicherweise zur Veröffentlichung auf unserer Homepage zur Verfügung gestellt.

Hattenrod. Es war am 2. Juli 1876, als sich einige Einwohner in der damaligen Gastwirtschaft Launspach zur Gründung eines Gesangvereins trafen, um dem deutschen Lied auch in Hattenrod eine Heimstätte zu geben. Der neugegründete Verein, der sich den Namen „Eintracht“ gab, zählte schon in den ersten Tagen 26 Mitglieder. Es waren die Sänger Wilhelm Becht, Wilhelm Greb, Peter Albohn, Wilhelm Balser, Johannes Seipp, Heinrich Dörr, Konrad Roth, Georg Hahn, Konrad Hahn, Konrad Rau, August Becht, Philipp Petry, Philip Keil, Konrad Albohn II., August Petry, Konrad Münster, Georg Stein, Johannes Braun, Heinrich Feußer, Heinrich Petry, Konrad Albohn V., Christian Eisenfeller, Heinrich Möbus, Konrad Weimer, Konrad Albohn VII. und Heinrich Rau. Weshalb der Verein sich den Namen „Eintracht“ gab, ist nicht mehr bekannt. Vielleicht war es der fünf Jahre zuvor beendete Krieg zwischen Deutschland und Frankreich, vielleicht war es aber auch eine ersehnte Geselligkeit, ein erhofftes Gefühl der Einigkeit und des Zusammenstehens unter gemeinsamen Ideen und Lebenszielen. Vielleicht standen auch andere Gesangvereine in der näheren und weiteren Umgebung bei der Namensgebung „Pate“.

Zu den schon erwähnten Überlegungen muss die Freude am Lied und die Liebe zum Gesang als Triebfeder zur Gründung des Vereins angesehen werden. Die Zeit drängte einfach in einer aufkommenden Massen- und Industriegesellschaft nach gemeinsamem Zusammenstehen, sei es in den aufkommenden Parteien, den Kirchen und Verbänden. Vielleicht findet man am ehesten Zugang zu einer Vorstellung über die Vorgehensweise der damaligen Zeit, wenn man bedenkt, dass erst drei Jahres nach Vereinsgründung , im Jahre 1879 Edison die Glühlampe erfand, die Menschen also immer noch mit primitivster Beleuchtung auskommen mussten. So ist keineswegs verwunderlich, dass die Anschaffung einer Petroleumlampe zum ersten Inventar des Vereins gehörte. Natürlich bot die Singstunde eine willkommene Abwechslung im nach heutigen Vorstellungen abwechslungsarmen Alltag.

Die Statuten forderten von den Mitgliedern eine strenge Disziplin. So mussten die Mitglieder stets pünktlich zur Übungsstunde erscheinen, die 15 Minuten nach der festgelegten Stunde begann. Erschien ein Mitglied erst nach Beginn des Singens, so musste es als Strafe zehn Pfennig bezahlen. Die doppelte Strafe kostete es, wenn ein Mitglied verhindert war, der Singstunde beizuwohnen, und das nicht durch eine unter Angabe des Versäumnisgrundes versehene Anzeige in die Versammlung „gelangen“ ließ. Wurde ein falscher Grund angegeben, so bedeutete das eine Strafe in Höhe von drei Mark. Im Wiederholungsfalle wurde das Mitglied aus dem Verein ausgeschlossen. Das Eintrittsgeld betrug zwei Mark und der monatliche Beitrag eine Mark. In den Statuten war darüber hinaus festgelegt, dass der Zweck des Vereins die Ausbildung des Gesangs zur Erheiterung und Veredlung des geselligen Vergnügens war. Wer diesen Zweck nach Kräften zu fördern imstande war, das 18. Lebensjahr erreicht hatte und Einwohner von Hattenrod war, konnte bei dem Vereinsvorstand einen Aufnahmeantrag stellen. Bestätigt wurde die Aufnahme erst durch den Beschluss der Generalversammlung mit Stimmenmehrheit. Der Vorstand des Vereins bestand aus dem Dirigenten, dem Präsidenten sowie dem Rechner. Die beiden letzten wurden alljährlich durch die Generalversammlung mit Stimmenmehrheit gewählt. Außerdem bestimmte die Generalversammlung aus der Zahl der Mitglieder einen Bibliothekar (Notenwart) und zwei Beisitzer. Der Austritt aus dem Verein musste dem Vorstand gegenüber unter Angabe der Gründe schriftlich angezeigt werden. Trat ein Mitglied ohne zwingenden Grund aus, worüber die Generalversammlung entschied, so musste eine Konventionalstrafe von 100 Mark bezahlt werden.

Es ist nicht bekannt, wer der erste Präsident des Vereins war, Heinrich Will war der erste Dirigent. Unter seiner Leitung fanden jeweils am Sonntagvormittag in der Gastwirtschaft Dörr die Singstunden statt. Der Dirigent bekam 50 Pfennig für die Abhaltung einer Singstunde. Als erster Chor wurde das Lied „Freiheit, die ich meine“ eingeübt. Der Wunsch, eine Vereinsfahne anzuschaffen, konnte sehr schnell durch Spenden der Mitglieder, der Gemeinde und der Jungfrauen verwirklicht werden. Genau ein Jahr nach der Gründung am 16. Juli 1877 fand die Weihe der neuen Vereinsfahne statt. Am Ende des ersten Vereinsjahres gab es bereits 32 Mitglieder, die alle aktive Sänger waren. Im Gründungsjahr hatte man schon eine Petroleumlampe, eine Trompete, ein Signal zur Singstunde sowie einige Liederbücher angeschafft. Im Laufe der nächsten Jahre folgten immer wieder neue Chorleiter, die den Dirigentenstab übernahmen. Das 25- jährige Stiftungsfest wurde erst am 22.Juni 1903 gefeiert und nicht 1901.

Am 18. Juli 1926 beging der Verein sein 50- jähriges Gründungsfest, das mit dem Wertungssingen des Chattia – Sängerbundes verbunden war. Die Gastvereine wurden am Sonntagmorgen vom Radfahrverein mit Musik abgeholt. In den verschiedenen Höfen waren die Pferde untergestellt. Am 10. Februar 1941 trat der Verein mit 27 Sängern dem Deutschen Sängerbund bei. Bedingt durch den Zweiten Weltkrieg und die damit verbundenen Einberufungen vieler Sänger zum Kriegsdienst, wurde die Vereinstätigkeit mehr und mehr eingeschränkt, bis sie schließlich ab 1943 eingestellt wurde. Als dieser grausame Krieg am 8. Mai 1945 endete, hatte der Verein erneut den Tod mehrerer Sänger zu beklagen. In einer Versammlung am 5. Dezember 1945 wurde der Gesangverein „nach den Richtlinien der jetzigen Regierungen aufgestellt“. Man beschloss, wieder regelmäßig unter der Leitung von Christian Möbus Singstunden abzuhalten. 1948 fand in dem Rathaussaal ein Familienabend statt.

Nachdem immer mehr Sänger aus der Gefangenschaft zurückkehrten, konnte die Leistungsfähigkeit des Chores wesentlich gesteigert werden. Die räumlichen Verhältnisse für die Abhaltung der Singstunden waren jedoch keineswegs optimal. So musste in dem Rathaussaal gesungen werden, der außerdem noch als Schulsaal diente. Erst als der aktive Sänger Karl Wallbott seine Gaststätte eröffnete, erhielt der Verein wieder eine würdige Übungsstätte.

Das Jahr 1949 war gleichzeitig auch noch in anderer Hinsicht für die Vereinsentwicklung von großer Bedeutung. In diesem Jahr wurde am 1. Oktober ein Frauenchor gegründet, der zunächst selbständig sang, später aber, bis auf den heutigen Tag zusammen mit dem Männerchor den gemischten Chor bildet. Es zeugt von dem hervorragenden Können des Frauenchores, wenn festgestellt wurde, dass ohne diese Sängerinnen der Männerchor in den folgenden Jahren erheblich in Schwierigkeiten geraten wäre. Schon ein Jahr nach der Währungsreform, wurde 1949 ein Klavier angeschafft, das 550 DM kostete, ein sehr hoher Betrag, wovon ein sehr großer Teil durch Spenden der Mitglieder finanziert wurde. Überaus groß wurde das 75. Stiftungsfest am 3. und 4. Juni 1951 gefeiert. Der Krieg war schon einige Jahre zu Ende, die Menschen hatten Arbeit und verdienten gutes Geld, wofür man sich auch etwas leisten konnte; denn die Läden waren gefüllt. Eine Festhalle auf dem Gartengelände des Festwirtes Karl Wallbott, das noch durch weitere Nachbargelände erheblich erweitert wurde, bot den mehreren tausend Sangesfreunden der zahlreichen Gastvereine genügend Platz und viel Programm. Nach dem Empfang der Gastvereine umsäumten Tausende die festlich geschmückten Straßen, als sich der Festzug in der Licher Straße in Bewegung setzte. In der Chronik heißt es: „Das ganze Dorf feierte den 75. Geburtstag des Gesangvereins „Eintracht“.

Sehr festlich wurde das 100 – Jährige vom 2. bis 5. Juli 1976 begangen. Eine besondere Note erhielt diese Veranstaltung noch dadurch, dass die früher selbständige Gemeinde Hattenrod, inzwischen Ortsteil von Reiskirchen, auf eine 750- jährige Ortsgeschichte zurückblicken konnte. Und da bekanntlich alle guten Dinge „drei“ sind, wurde auch in diesen Tagen das neu erbaute Dorfgemeinschaftshaus seiner Bestimmung übergeben. Es war das letzte große Fest des Vereins, der auf diese Feier besonders stolz sein kann. Später, am 13. Juli 1984, folgte die Gründung eines Kinderchores, aus dem dann 1997 ein Jugendchor wurde. Hier wurde auch zugleich der Grundstein zu dem Chor „Young Voices“, der im Jahre 2000 ins Leben gerufen wurde. Hier hat der Vorstand Weitblick bewiesen und zugleich die Weichen auch für die Zukunft gestellt. Denn „Young Voices“ hat sich inzwischen durch zahlreiche Auftritte bei verschiedenen auswärtigen Veranstaltungen einen Namen gemacht und bei Wettbewerben auch Pokale und erste Preise geholt. Zusammen mit dem schon seit vielen Jahren bestehenden „Gemischten Chor“ präsentieren zwei Chöre den Gesangverein „Eintracht“ Hattenrod. Am 9.Juli 2016 beging der Verein mit einem fröhlichen „Singkarussell“ sein 140- Jähriges. Es war der Auftakt von weiteren Veranstaltungen in diesem Jahr. Die Gruppe Hattenrod der Heimatgeschichtlichen Vereinigung Reiskirchen wird zusammen mit der „Eintracht“ im Rahmen einer weiteren Veranstaltung am 16. Oktober 2016 die Vereinschronik der vergangenen 140 Jahre noch einmal in Bildern und Texten präsentieren. Hier haben die Besucher dieser Veranstaltung nicht nur Gelegenheit die Vereinsmitglieder vergangener Jahrzehnte auf Bildern zu sehen, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit auch manchen ihrer Vorfahren. Zu dem Jubiläumsprogramm gehört auch ein Konzert am 17. Dezember 2016 in der evangelischen Kirche in Hattenrod, das beide Chöre gestalten.

Die gute Zusammenarbeit im Vorstand zeichnet sich auch dadurch aus, dass der gesamte Vorsand bei der turnusmäßigen Neuwahl im vergangenen Jahr in seinem Amt bestätigt wurde. Danach bleibt Elke Wißner für weitere zwei Jahre an der Spitze des Gesangvereins „Eintracht“ Hattenrod. Einhellig bestätigten die Mitglieder Elke Wißner in ihrem Amt, das sie vor fünf Jahren übernommen hatte. Es waren viele positive Zeichen, die den Verein unter Wißners Leitung in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit präsentierten. Auch die weiteren Wahlergebnisse zeigten die Zufriedenheit der Mitglieder mit dem aktiven Vorstand. Als stellvertretende Vorsitzende fungiert Karin Dillmann – Schneider. Karl Ellger bleibt weiterhin Rechner und Rosemarie Schmidt Stellvertreterin. Wiedergewählt wurden auch Irmhild Etzelmüller als Schriftführerin und Jasmin Eckhardt als deren Stellvertreterin. Dr. Bärbel Kloppert und Achim Doebler gehören als Beisitzer dem erweiterten Vorstand an. Dirigentin ist Bonita Hyman.

Dank dem unermüdlichen Engagement der Dirigenten sowie der Vorsitzenden und den Vorständen ist es zusammen mit den Mitgliedern, aktive und passive, gelungen die „Eintracht“ auch durch schwere Zeiten immer wieder „am Leben zu erhalten“ und damit beizutragen, dass der Verein auch 140 Jahre nach seiner Gründung dem Ort Hattenrod als ältester Verein erhalten bleibt, der nach wie vor zu freudigen, aber auch traurigen Anlässen seine Stimmen erklingen lässt. Weitere Infos zum Gesangverein hier .